Focus Stacking

Wer sich für Nah- und Makrofotografie interessiert, kennt bestimmt die eindrücklichen und messerscharfen Detailaufnahmen von Insekten.

Solche Bilder mit starker Vergrösserung und hoher Schärfentiefe sind nur durch ausgeklügelte Aufnahmetechnik möglich, dem sogenannten Focus Stacking.

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Focus Stacking für mehr Schärfentiefe

Wer hat die Erfahrungen nicht selber schon gemacht? Du kaufst dir ein Makroobjektiv und bist überrascht, wie gering die Toleranz zum Scharfstellen solch kleiner Objekte ist. Selbst durch Schliessen der Blende wir immer nur ein Teil des Hauptmotives scharf abgebildet.

Grund dafür ist das optische Gesetz für Schärfentiefe, welche mit zunehmendem Abbildungsmassstab immer mehr abnimmt. Bei maximaler Vergrösserung ist ein Bereich von wenigen Millimetern wirklich scharf. Selbst stark abgeblendet sind meist nur 5-10mm scharf und grössere Objekte wie Insekten, Blumen oder technische Produkte werden nicht komplett scharf abgebildet.

Profifotografen setzten (analog auf Film) für solche Detailaufnahmen aufwendige Ausrüstungen zur Schärfendehnung nach Scheimpflug ein. Dank der Digitaltechnologie ist dies heute wesentlich einfacher geworden.

Die Lösung heisst Focus Stacking

Der englische Begriff focus stacking, wörtliche Übersetzung, "Schärfe-Stapelung", seltener auch Schärfentiefeerweiterung oder deep focus fusion (DFF) genannt, beschreibt eine Kombination aus fotografischer Aufnahme- und digitaler Bildbearbeitungstechnik. Sie wird insbesondere in der digitalen Makrofotografie genutzt, um ein Bild mit aussergewöhnlich grosser Schärfentiefe zu erzeugen.

Der Trick ist also, vom selben Motiv mehrere Bilder zu machen, wobei die Schärfeebene bei jeder Aufnahme angepasst wird. Eine aufwendig programmierte Software berechnet danach das gesamte Bild, in dem sich die scharfen Bildbereiche der Aufnahmeserie in einem einzigen Bild vereinen.

Fertig ist die Makroaufnahme mit extremer Schärfentiefe.

Wieso nicht einfach Abblenden?

Wieso nicht einfach Abblenden?

Um den Schärfebereich auszudehnen, könnte ganz einfach die Blende geschlossen werden. Kleine Blendenwerte ergeben eine grössere Schärfentiefe. Wieso soll ich also mehrere Bilder machen, statt einfach abzublenden?

Dafür gibt es drei Hauptgründe:

Zu wenig Effekt
Je nach Abbildungsgrösse und gewünschter Schärfentiefe reicht es oft nicht aus, die Blenden auf den kleinsten Wert zu schliessen. Obwohl manche Makroobjektive bis zu Blende f/45 verfügen, ist dies bei starker Vergrösserung nicht ausreichend. Mehr Schärfentiefe ist aus physikalischen Gründen nicht möglich.

Lichtverlust
Das Schliessen der Blende erfordert eine längere Belichtungszeit, zur Kompensation der Belichtung. Jede Blendenstufe halbiert die einfallende Lichtmenge und so muss die Belichtungzeit verdoppelt werden. (Alternativ kann die Empfindlichkeit gesteigert werden.) Um mit einem Objektiv Nahaufnahmen machen zu können, muss zudem der Auszug des Objektives verlängert werden. Die Linsen müssen also weiter vom Aufnahmesensor entfernt werden. Beim Abbildungsmassstab 1:1 ist das optische Zentrum doppelt so weit vom Sensor entfernt, wie bei der Unendlich-Einstellung. Dieser längere Weg ergibt von sich aus schon einen Lichtverlust, der kompensiert werden muss.

Zusammen können sich dann schnell mal mehrere Sekunden Belichtungszeit ergeben und dies ist für viele Motive ungeeignet.

Beugungsunschärfe
Der dritte Grund, nicht einfach abzublenden, ist die Bildqualität:
Bei starkem Abblenden nimmt die Schärfentiefe zwar zu, die Gesamtschärfe des Bildes nimmt aber ab einem gewissen Wert sichtbar ab. Die Lichtstrahlen, die durch die Blendenöffnung passieren müssen, werden an den Kanten der mechanischen Blendenlamellen leicht abgelenkt und erzeugen intern ein Streulicht. Je nach Objektiv, Kamerasystem und Sensorgrösse ist der Effekt bei unterschiedlichen Blendenwerten bereits sichtbar.
Die beste Abbildungsleitung erreichen die meisten Objektive, wenn man sie um 2-3 Blendenstufen abblendet und so liegen die optimalen Wert bei f/5.6-f/11.

Der Vergleich
Auf den ersten Blick sehen die unten stehenden Musterbilder zwar nahezu identisch aus. Die linke Aufnahme wurde mit maximaler Blende f/22 fotografiert. Die Schärfentiefe reicht praktisch über das ganze Motiv. Das Bild rechts wurde mit Blende f/5.6 (2 Stufen abgeblendet bei Lichtstärke 1:2.8) aufgenommen, jedoch 8 mal ausgelöst mit verschiedenen Schärfeebenen. Das Objektiv wurde zwischen jeder Aufnahme leicht verstellt und so wurde jeder Bereich mindestens einmal scharf abgebildet. Anschliessend wurden die Einzelbilder am Computer zusammengefügt.

Bei der 100% Ausschnittvergrösserung wird nun sichtbar, was die Beugungsunschärfe der kleinsten Blende (links) gegenüber der optimalen Blende ausmacht. Das Bild rechts mit Blende f/5.6 ist deutlich detailreicher und sichtbar schärfer.

Je nach Blendenwert und Motivgrösse muss mit unterschiedlich vielen Einzelbildern gearbeitet werden. Wer ganz genau hinschaut, kann erkennen, dass die Schritte der Schärfeebenen etwas zu gross gewählt wurden, weshalb zwischendurch leichte Unschärfebereiche zu entdecken sind.

Focus Stacking handgemacht

Mit etwas Knowhow und der richtigen Ausrüstung lassen sich solche Aufnahmen je nach Motiv mit überschaubarem Aufwand erstellen. Mit entsprechend mehr Handarbeit, Ausrüstung und Nachbearbeitung am Computer lassen sich mit fast allen Kameras mit manueller Scharfstellung Nahaufnahmen mit erweitertem Schärfebereich machen.

Dabei gibt es unterschiedliche Methoden für erste Versuche, engagierte Makrofans bis hin zur professionellen Lösung mit automatischen Schrittmotoren.

Schärfeebene durch Nachfokussieren verschieben

Ausrüstung

  • Kamera mit Objektiv für Nahaufnahmen
  • Robustes Stativ (Makrostativ oder Universalstativ mit schwenkbarer Mittelsäule oder spreizbare Stativbeine für bodennahe Aufnahmen ideal)
  • Fernauslöser (Infrarot, Kabel, WiFi)
  • Ausgewählte Kameras können auch direkt vom Computer aus gesteuert und ausgelöst werden
  • Evtl. Blitz oder Lampen für gewünschte Ausleuchtung

Erschütterung reduzieren
Da bereits kleinste Erschütterungen bei Makroaufnahmen auf die Schärfe einen Einfluss haben können, sollten entsprechende Massnahmen getroffen werden. Zum Auslösen der Kamera sollte diese nicht berührt werden, sondern es sollte über einen Fernauslöser fotografiert werden. Digitale Spiegelreflexkameras (DSLR) haben einen Schwingspiegel, der vor der Aufnahme hochklappt. Bereits diese Bewegung kann zu Einbussen und Verwacklungen führen. Wenn deine DSRL über eine Spiegelvorauslösung verfügt, sollte diese auf jeden Fall aktiviert werden. Damit wird sie vorab hochgeklappt und für die eigentliche Aufnahme muss nur noch der Verschluss geöffnet werden.

Spiegellose Kameras kennen zwar den Spiegelschlag nicht, doch auch der mechanische Verschluss kann eine Vibration auslösen. Aktiviere, wenn möglich, den elektronischen Verschluss. Je nach Lichtquelle kann dieser aber Qualitätseinbussen mit sich bringen. Bei Tageslicht kann aber nichts passieren. Blitzlicht oder Kunstlicht sind jedoch nicht immer ideal.

LIVE-VIEW zum Scharfstellen
Um optimal scharfstellen zu können ist der grosse Monitor der Kamera oft idealer als der Sucher. Bei geringer Schärfentiefe ist zudem meist eine elektronische Lupenfunktion vorhanden, um noch präziser einen Schärfepunkt zu finden.
Bei starkem Sonnenlicht kann der rückwärtige Display nicht immer ein brillantes Bild anzeigen, da er weniger hell leuchtet als das Umgebungslicht. Probiere deshalb, den Monitor mit der Hand abzuschatten.

Fernsteuerung per PC
Wer seine Bilder zu Hause aufnimmt, kann ausgewählte Kameras auch per Computer steuern. Tethered Shooting nennt sich die Technik und kann direkt von Lightroom oder kompatiblen Kamerahersteller Apps gemacht werden. Je nach Kamera ist sogar ein Livebild am PC ersichtlich.

Aufnahme Schritt für Schritt

Für die eigentliche Aufnahmeserie - Focus Bracketing genannt - müssen ein paar wichtige Punkte beachtet werden.

  1. Setze die Kamera auf das Stativ
  2. Verwende eine mittlere Blende F/5,6-F/8 für maximale Schärfeleistung des Objektives
  3. Stelle die passende Verschlusszeit manuell (Modus M) ein, da alle Bilder mit genau gleicher Helligkeit sein müssen
  4. Deaktiviere den Autofokus und Bildstabilisator
  5. Wenn möglich, löse mit dem elektronischen Verschluss aus
  6. Stelle auf den vordersten Punkt deines Motives scharf
  7. Löse für minimale Erschütterung per Fernauslöser oder Selbstauslöser aus
  8. Zweite Aufnahme: Scharfstellung leicht nach hinten versetzen und auslösen
  9. Wiederhole den Vorgang, bis das ganze Motiv von vorne bis hinten fotografiert wurde

Das Resultat ist eine Aufnahmeserie aus mehreren Bildern mit identischem Inhalt aber unterschiedlichen Schärfeebenen.

Einstellschlitten

Für die präzise Kameraführung im Nahbereich empfiehlt sich die Verwendung eines Einstellschlittens. Dieser kann per Einstellrad leichtgängig die Kamera vor und zurück oder in Kombination mit einem zweiten auch seitlich verschieben. Dabei ist die Kamera immer perfekt gesichert.

Statt den Schärfering am Objektiv zu bedienen, kann für eine Stacking-Bildserie auch die ganze Kamera bewegt werden.

Die erste Bildserie ist jetzt bereits erstellt, die Nachbearbeitung folgt im WikiGrid Focus Stacking Bearbeitung.

Geeignete Motive

Für das spätere Focus Stacking, also das Zusammensetzen von einzelnen Bildern mit unterschiedlicher Schärfeebene, müssen die Einzelbilder möglichst identisch sein. Bewegte Motive eignen sich deshalb nicht, da sich über die Aufnahmeserie zum einen die Position, aber auch die Ansichtsperspektive verändert. Ideal sind Motive, die sich nicht bewegen und viele Details haben, die es hervorzuheben gilt.

Obschon unsere Beispielbilder vorwiegend Nahaufnahmen sind, kann die Technik auch für allerlei andere Fotobereiche genutzt werden.

  • Nahaufnahmen statischer Objekte
    (Bei Naturaufnahmen sollte es möglichst windstill sein, damit sich Pflanzenhalme nicht während der Aufnahme bewegen)
  • Technische Produktebilder mit feinen Details
  • Landschaftsaufnahmen mit wichtigem Vorder- und Hintergrund
  • Architekturaufnahmen

Vor allem bei Schmuck und Uhren wird die Technik gerne eingesetzt. Wer schon in einem Schweizer Flughafen war, kennt bestimmt die riesigen Plakate der namhaften Uhrenhersteller. Die Bilder zeichnen sich über eine herausragende Schärfe und viele Details aus und sind typische Anwendungen von Focus Stacking in der Industrie.

Das wäre ein Workshop für dich

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